Sagra
Nach der Ernte die Weihe

Derzeit Epidemie bedingt im Pausenmodus befindlich, ist der Besuch einer „Sagra“ im Herbst normalerweise einer der Fixpunkte der Wochenendplanung Genuss suchender Italiener.

Wonach suchen Sie?

01.11.2021

Wer zwischen Ende August und Dezember im ländlichen Bereich des Bel Paese unterwegs ist, kann die zahlreichen Ankündigungen am Straßenrand kaum übersehen. Sagra della zucca (Kürbis), Sagra del tartufo, Sagra delle castagne, delle uve, del cinghiale (Wildschwein), della polenta, della foccacia ... – um auf Nummer sicher zu gehen, wird also so ziemlich alles Essbare geweiht!

Nun ist eine Sagra eigentlich eine Kirchenweihe, mit mancherorts erstaunlich aufwendig orchestrierten Umzügen, was in diesem Weihenunterbereich eher die Ausnahme der Regel ist. Zumeist handelt es sich bei des Dorfpfarrers Weihe eher um das kirchliche Nebengeräusch zum aufbrausenden Lärm hungerstillwollender Genuss-Weekender aus der Region bzw. naher Städte. Kurzum: es geht ums Kosten, Verkosten, Essen, Trinken & Feiern.
Der Name der Sagra verrät die Hauptzutat, die auf vielerlei Art und Weise von traditionell bis modern verkocht bzw. verarbeitet wird. Wenn eine ganze Ortschaft danach duftet, dann sind Sie richtig! Je nach Ort und Bedeutung kann eine Sagra vielerlei Charakter haben, vom beschaulichen Dorffest bis hin zum ausgelassenen Volksfest.


Was niemals fehlen wird, ist die sprichwörtliche Gastfreundschaft, das Zu-sich-an-den-Dorftisch-bitten ganzer Heerscharen von Foodies. In vielen Orten sind Höfe und versteckte Gärten nur an diesen Tagen zugänglich, werden gleichsam für wenige Tage zur Open-Air-Trattoria. Gespeist wird auf die rustikale, einfache Art. Tischtuch und Glaskultur sollte man nicht erwarten – eher schon Holzbank und Papierserviette. Zu den Highlights der Sagre im Herbst zählen sicherlich jene den Kastanien, Trüffel und Steinpilzen gewidmeten Veranstaltungen in Umbrien und der Toskana.

So gibt es seit den späten 1970er Jahren in Chianni bei Pisa eine sehr beliebte, dem Wildschwein zugeschriebene Sagra. Dem in dieser Region doch recht häufig anzutreffenden (und bei Trüffelsuchern so gar nicht beliebten) Cinghiale wird vor allem in der Maremma, der südlichen Toskana (z.B. in Suvereto), festlich und magenerfreuend gedacht.

Ende September / Anfang Oktober sind eine Vielzahl von Sagre der Weinernte gewidmet, die dann im Optimalfall schon erste Hinweise auf den kommenden Weinjahrgang zu geben vermag. Passt ja auch wunderbar zu den Eccellenze vom zuvor besprochenen Waldgetier ...

Ebenfalls fantastische Gelegenheiten zur kulinarischen Horizonterweiterung sind die Sagre del Pesce entlang der ligurischen und amalfitanischen Küste. Allen voran im ligurischen Camogli, wo an einem Wochenende für bis zu 100.000! Besucher Fisch in einer Bratpfanne mit 3,80 m Durchmesser gebraten wird. Ein bisserl Geduld bis zum Kostteller ist gefragt, ein Blick aufs Meer zwischenzeitlich empfohlen.

Im Optimalfall bringen diese Veranstaltungen schöne Einblicke in lokale Kultur und Küchentradition. Auf jeden Fall die Möglichkeit, Italiener in kulinarischer Feierlaune zu erleben. Halten Sie also Ausschau nach den Sagre, feiern Sie den Erntedank à la italiana.

In diesem Sinne – gesegnete Mahlzeit!
Quellenverweise:

Text & Fotos : Martin Martschnig / italissimo.at

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