Werden Tomaten (ital. Pomodori) weiterverarbeitet, so entscheidet schon der Reifegrad bei der Ernte der verarbeiteten Sorte über das Endergebnis am Teller. In der Emilia Romagna ist es im Juli wieder soweit. Im Bereich zwischen Parma und Ferrara bietet die Poebene Böden, die für die Kultivierung von Tomaten optimale Voraussetzungen bringen. Natürlich nicht für alle Sorten, dazu mehr später.
Im Norden Italiens erreichen die roten Freiluftsonnentanker zwischen Mitte Juli und Ende August die optimale Reife. Heiße Sommertage und überraschend große Temperaturunterschiede der Böden im Tag/Nacht-Vergleich bringen die gewünschte Mischung aus Geschmacksnoten und Sonnenreife mit sich.
Wie bei Weintrauben und Oliven, ist auch bei den Tomaten die rasche Verarbeitung ein wichtiges Kriterium. Diese sollte innerhalb von 12 Stunden nach der Ernte erfolgen, um keine Geschmackseinbußen hinnehmen zu müssen. Man glaubt ja gar nicht, was es an Expertise bedarf, um aus der Materia Prima Tomaten wohlschmeckende Produkte in Glas oder Dose zu zaubern, die unsere Küchen rund ums Jahr zur „Trattoria Italiana“ werden lassen.
Spricht man mit einem südlich von Rom stammenden Koch, so wird das Thema Pomodori sehr schnell sehr emotional! Da kommen nur Datterini und San Marzano „die Königin der Tomaten“ in den Topf bzw. die Pfanne. Im Geschmack intensiver, philosophiert man rund um Neapel gar über die Reife des Sonnenkusses, den ein traumhafter Sommer mit sich bringt. Kann man der Leidenschaft zu seiner Küche, zu traditionellen Zutaten und Rezepten eine schönere Liebeserklärung machen?
Neapolitaner sind dafür wunderbar „anfällig“. Das muss wohl am Leben am Vulkan liegen! Apropos Vulkan: an den Hängen des Vesuvio wächst eine ganz besondere, rar gewordene Tomatensorte, die Piennolo del Vesuvio. Das Besondere an dieser Tomate ist die ungewöhnlich dicke Haut und der geringe Wasseranteil, womit sie sich den Vulkanböden und der Abwärme ebendieser angepasst hat. Im Spätsommer geerntet, werden sie in Dolden auf Dachböden gehängt. Durch diese weitere Reifung bis kurz vor Weihnachten wird der Geschmack noch intensiver. Die Piennolo del Vesuvio gehört übrigens zur „Arche des Geschmacks“ der Slow Food Stiftung – eine Art Weltkulturerbe für Lebensmittel.
Die Piennolo ist auch Teil eines traditionellen Weihnachtsessens in Neapel, bei dem eine Pasta mit Miesmuscheln und Tomatenstücken serviert wird. Ein einfaches Gericht, aber mit frischen „Cozze oder Vongole“ und der vollreifer Paradiesfrucht ein erstes Weihnachtsgeschenk für sich! Gelingt „zur Not“ ebenso mit Datterini oder San Marzano – aber sagen Sie es bitte keinem Neapolitaner!
So erfahren Tomaten wahre Reifeprüfungen am Feld, in Glas und Dose haltbar gemacht, auf Dachböden abgehangen und in der traditionellen Küche des Bel Paese.
In diesem Sinne – ein paar schöne, sommerreife Tage!
Quellenverweise:
Text: Martin Martschnig / italissimo.at
Foto: Parco nazionale del Vesuvio